Schweiß, Country und Grunge: Stephen Wilson Jr. bringt das Gruenspan zum Glühen – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Konzert zwischen Hitzewallung und purer Energie.
Es war heiß. Schwül-heiß. Und das nicht etwa draußen in der Sommersonne, sondern drinnen – im restlos ausverkauften Gruenspan auf der Hamburger Reeperbahn. Kaum Platz zum Atmen, keine Chance auf Bewegung: So voll hat man das Gruenspan selten erlebt. Doch wer dachte, dass diese stickige Sauna-Stimmung der Abendunterhaltung schaden würde, hatte die Rechnung ohne Stephen Wilson Jr. gemacht.
Mit einem schelmischen Grinsen und einem kernigen „Moin Hamburg!“ begrüßte der US-Singer-Songwriter gegen 20 Uhr sein Publikum – und legte direkt los mit dem bisher unveröffentlichten Song „Preacher’s Kid“, einer Mischung aus Südstaaten-Schwermut und Rock’n’Roll-Schweiß. Es war der Auftakt zu einem Konzert, das unter anderen Bedingungen wohl als eines der besten des Jahres durchgegangen wäre.
Eine Band mit Wucht: Energie trotz Hitzewelle
Fotos: Sven Hartwig für CNTRY
Seine vierköpfige Band ließ keine Zeit zum Durchschnaufen. Allen voran der großartige Lapsteel-Gitarrist Scotty Murray, dessen wehende Mähne dank Bühnenventilator im eigenen Windkanal spielte, während er mit traumwandlerischer Sicherheit die Saiten glühen ließ. Am Schlagzeug drosch Julian Doro mit einer Wucht auf sein Kit, als wolle er der Hitze durch rohe Energie entkommen.
Hits wie „Billy“, „Cuckoo“, „Patches“, „Father’s Son“ und „Not Lettin’ Go“ ließen keinen Zweifel: Stephen Wilson Jr. ist gekommen, um zu bleiben. Für Gänsehaut sorgte seine minimalistische, zutiefst gefühlvolle Coverversion von „Stand By Me“, die schon online viral ging – live aber noch eine Spur intensiver wirkte. Später folgte die Live-Premiere von „Henry“ – ein Song, der einem förmlich ins Herz tropfte.
Energie, Nähe und ein tobendes Publikum
Fotos: Sven Hartwig für CNTRY
Es war deutlich spürbar: Stephen fühlte an diesem Abend die Verbindung zu seinem Publikum – und die ließ ihn trotz der unzumutbaren Temperaturen nicht im Stich. Ganz im Gegenteil: Die Zuschauer blieben dran, sangen, schwitzten, jubelten. Vielleicht war es diese unerschütterliche Nähe, die ihn und seine Band gegen Ende in einen regelrechten Rausch versetzte. Bei „Year To Be Young 1994“ explodierte die Energie förmlich, und mit dem Nirvana-Cover „Something In The Way“ wurde es noch einmal düster, roh, eindringlich.
Nach dem intensiven „Holler From The Holler“ ging kurz das Licht an – und mir endgültig die Puste aus. Doch das Publikum ließ nicht locker. Mit frenetischem Applaus forderte es eine Zugabe – und bekam sie. Stephen kehrte alleine auf die Bühne zurück, sang „I’m A Song“ und das neue, zerbrechlich-schöne „Gary“, bevor zum finalen Abschiedssong „The Beginning“ (Zwinker) noch einmal die komplette Band aufspielte.
Damit ging nach zwei Stunden ein beachtenswerter Auftritt zu Ende – und eine der letzten Shows seiner „Son Of Dad“-Ära. Eigentlich war es ein wunderbares Konzert. Wäre da nicht die Hitze gewesen. Diese verdammte Hitze. Die mir gegen Ende dann doch die letzte Feierlaune rausgedampft hat. Aber gut – wer braucht schon Sauerstoff, wenn man Musik atmen kann?