Die aktuelle Texas Country-Szene pulsiert wie nie zuvor! Egal ob in Austin, San Antonio, Houston oder Dallas. Der Popsound aus Nashville wird immer mehr von dem traditionelleren Texas Red Dirt verdrängt.
Am 7. März 2015 staunten viele Musikexperten, Kritiker und Label-Chefs nicht schlecht. Vor allem jene nicht, die in dem kommerziell gesteuerten Nashville ihre Arbeit verrichteten. Dieses Datum ließ vermutlich auch die Starproduzenten und Marketingstrategen der Major-Plattenfirmen blass um die Nase werden. Ein vermeintlich unbekannter Texaner eroberte ohne Hilfe von all diesen eingangs genannten Profis die Billboard Country Album Charts. The Underdog hieß der Übeltäter und zog eiskalt an dem mit Pop und R´n´b überzogenen Montevallo-Album von Sam Hunt vorbei. Nun hatte er es geschafft! Aaron Watson stieg unerwartet mit seinem Independent Album auf Platz eins der Albumcharts. So etwas hat vor ihm noch keiner geschafft. Doch wie passt das zusammen? Gerade kommen noch die letzten Ausläufer des Bro-Country Sounds an Land und schon steht ein Red Dirt Album an der Spitze!?
Betrachtet man die darauffolgenden Jahre die Airplay sowie die Verkaufscharts, fällt einem auf, dass es sich dort viele Independent Künstler aus dem Staate Texas bequem machen. Cody Johnson, Eli Young Band sowie Cody Jinks mischen mittlerweile mächtig mit. Äußerst ungewöhnlich aber doch etwas balsam für die Seele jeden traditionellen Countryfans. Hoffnung flammt wieder auf, der poplastigen Musik und dem Establishment aus Nashville entgegen zu wirken. So platzierten sich die Alben Gotta Be Me und Ain´t Nothing To It direkt auf Platz zwei und eins. Diese Werke von Cody Johnson sind die momentan stärksten Vertreter aus dem texanischen Red Dirt Bereich. Mit seinen unnachahmlich weichen Vocals und seinem Talent für das Songwriting mauserte sich Johnson nach und nach zu einem der größten Stars in Texas. Wenn man ein Album bis auf Platz zwei der Charts ohne vorherige nationale Single bringen kann, bleibt dies natürlich nicht unbeobachtet. Mitte 2018 biss das Major-Label Warner Music Nashville an. Johnson ließ sich zwar auf einen Deal ein aber nur unter der Bedingung, seinen Sound beibehalten zu dürfen.
Texaner schon immer Outlaws
Wem dies etwas bekannt vorkommt, ist entweder ein langjähriger Countryfan oder ein rießen Musiknerd. Denn in den 60er Jahren brachte dieses Handeln Bobby Bare, mittlerweile eine Legende, ebenfalls einen Major-Deal ein. Damals konnten viele Musiker mit dem glattgebügelten Sound aus Nashville nichts anfangen. So gingen Männer wie Willie Nelson wieder zurück in ihren Heimatstaat um dort die Musik machen zu können, die sie wollten. Die Outlawbewegung begann allmählich ins Rollen zu kommen. Die musikalische Freiheit, die sie dadurch erreichen konnten, half ihnen Songs zu kreieren, die die Menschen wieder ansprachen. Sie nahmen kein Blatt vor dem Mund. Sie sangen einfach wonach ihnen gerade war.
Genau diese bodenständigen Texte waren und sind immer noch der Schlüssel für gute Countrymusik. Nicht umsonst sind Künstler wie Waylon Jennings oder Merle Haggard zu Legenden aufgestiegen. Ihre Musik berührte die Menschen. Sie war rauer. So wie das Leben der einfachen Leute. Man konnte sich mit dieser Musik besser identifizieren als mit den glatten Großproduktionen. Das Phänomen, man könne für die Underdogs mehr Sympathie empfinden, wurde hier eindeutig belegt. Die Beliebtheitswerte stiegen und so brach die Welle des Outlaw-Country direkt über Nashville herein. Wie bei jedem erfolgreichen Konzept stehen die wahren Erschaffer eher im Hintergrund. Songwriter-Legenden wie Guy Clark oder Townes van Zandt, dessen Song Pancho and Lefty ein rießen Hit für Nelson und Haggard war, waren nur die stillen Begleiter. Ihre Fähigkeit, Songs zu schreiben, die so individuell wie genial waren, ist bis heute der Maßstab, an dem sich viele Liedermacher orientieren.
Die aktuelle Texasszene pusliert wie nie zuvor! Egal ob in Austin, San Antonio, Houston oder Dallas. Das Talent ist überall dort zu finden und ist auch maßgeblich an dem Erfolg des Red Dirt auf nationaler Ebene beteiligt. Ihre Songs haben ebenfalls das einfache Leben als Vorbild. Rauer Country Rock, der unter anderem von verflossener Liebe, Heimat und dem Glauben handelt. Beim Hören der Songs kauft man es den Interpreten auch ab, da es sich einfach authentisch anfühlt.
Texas Country gegen Nashville: Snap-Clap Sound vs. Rooted Sound
Doch warum ist genau dieser Sound im Aufschwung? Die Major-Labels könnten es sich doch viel leichter machen, indem sie auf bewährten Pop-Sound setzen und Hits produzieren. Auch die Radiostationen gehen auf die Veränderung des Musikstiles ein und geben dem rauen Sound wieder eine größere Plattform. Das Beispiel Cody Johnson zeigt, dass die mächtigen Plattenfirmen den Wert dieser Künstler erkannt haben. Im Interview mit Billboard erklärte Johnson sein Treffen mit dem zuständigen Boss von Warner Music, John Esposito, so: „Beim Treffen mit ihm sagte er mir, er wolle mich nicht verändern, sein Ziel ist es mir zu helfen dort Airplay und Bekanntheit zu erlangen, wo ich es noch nicht habe und mich auf ein Level der Eric Church´s oder der Dan + Shay´s dieser Welt zu bringen“.
Natürlich wollen die Verantwortlichen noch immer ein sattes Plus nach all dem Aufwand sehen, so wird dieses Privileg vorerst nur einigen wenigen vorbehalten sein, doch die ersten Schritte sind gemacht. Nachdem viele traditionelle Countryfans den Missstand in den Texten sowie dem Sound der letzten Jahre angeprangert haben, erkennen die Radios wie auch gestandene Künstler das Potenzial ehrlicher, und handgemachter Musik wieder. So sind die letzten Alben von Stars wie Dierks Bentley oder Eric Church um einiges erdiger produziert worden. Wir sind also gespannt wohin sich dieser Trend entwickelt.
Zum Schluss haben wir noch einen Fun-Fact für euch parat, der zeigt welchen Unterschied es macht ob man bei einem Independent- oder einem Major-Label unter Vertrag steht: Im Jahre 2009 war kein geringerer als Luke Bryan der Support-Act für den Red Dirt-Star Aaron Watson. Der Deal war, dass im Gegenzug Watson einige Shows später für Bryan eröffnet. Dieser wurde leider noch nicht eingehalten, so Watson im Rolling Stone Magazin aus dem Jahr 2015.