… so kann man den Auftritt von Old Dominion im Astra Kulturhaus vielleicht zusammenfassen.
Ich gebe zu, dass ich nicht viel erwartet habe. Die Alben von den fünf Jungs aus Nashville sind mir zu glatt, zu makellos, zu leicht. Auch die Hits von Opener Jordan Davis haben mich beim Hören nicht gefesselt, da auch sie ohne Ecken und Kanten daherkommen.
Zum Glück hatte ich im Rahmen der Country Music Week die Chance, mir beide Acts einmal live anzuhören. Und im Nachhinein kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, dass man seine Meinung revidieren darf.
Das erste Konzert der Berliner Country Week findet im Astra Kulturhaus statt. Es ist nicht ausverkauft, aber gut gefüllt. Die Karohemddichte ist recht hoch und man erblickt sogar einige Cowboyboots und -Hüte.
Jordan Davis kommt mit wenig Gepäck
Den Auftakt gibt an diesem Abend der 31- jährige Jordan Davis aus Louisiana. Mit seiner Gitarre und zwei Bandkollegen an E-Gitarre und sehr kleinem Drumset wird die Musik auf das nötigste reduziert. Schon als der Sänger die Bühne betritt wird klar, dass er sich durch seine Hits bereits eine beachtliche Fangemeinde erarbeitet hat. Lauter Applaus und „I love you, Jordan“- Schreie hallen durch das Astra. Gleich zu Beginn gewinnt der Vollbartträger durch ein zünftiges „Prost“ die Sympathie des Publikums. Schnell kommt man nicht umhin, zu bemerken, dass das reduzierte Set dem Gutelaunesong „Tough To Tie Down“, sonst durchproduziert und glattgebügelt, sehr gut tut.
Nahezu jeden seiner Songs stellt Jordan mit Bier in der Hand und einer kleinen Anekdote aus seinem oder dem Leben eines Freundes vor. So erzählt er in „Goin’ Round“ von einer Ex- Freundin vom College. Man muss schon sehr genau hinhören, wenn Jordan erzählt, denn den Louisiana- Slang kann er nicht leugnen. Als er erzählt, wie der Text zu seiner dritten Single entstand, gesteht er lachend, dass es ihm sehr schwerfällt, Titel für seine Lieder zu finden. Und so heißt der Song, der vom ersten Date eines Freundes mit dessen zukünftiger Frau und ihrem gemeinsamen, nächtlichen Tanz auf einem Parkplatz handelt, schlicht „Slow Dance In A Parking Lot“. Jubel und lauter Applaus begleiten diese Ankündigung, denn der Song gehört zu den meist gehörten des Sängers.
Man merkt dem Sänger an, dass er großen Spaß auf der Bühne und mit seiner Musik hat. Er lacht viel und man nimmt ihm die persönlichen Geschichten gerne ab. Die vielen kleinen Informationen machen die Songs zugänglich und sehr persönlich, was den ganzen Auftritt authentisch und ehrlich werden lässt. Während Jordan mit seiner vollen und manchmal rauen Stimme singt, nimmt er immer wieder Blickkontakt mit dem Publikum auf.
Sollte man nun noch Gründe brauchen, Jordan Davis zu mögen, erzählt er noch die Geschichte, wie er seine Frau kennen gelernt hat und erwähnt stolz, dass die beiden im November ihr erstes Kind erwarten. Auch dafür gibt es tosenden Beifall. Der folgende Song heißt, logisch, „Met My Wife In A Bar“ und handelt genau von diesem ersten Treffen. Mit „Need Tonight“ hat Davis dann auch noch Neues im Gepäck.
Zum Abschluss darf natürlich der langersehnte Hit „Singles You Up“ nicht fehlen. Jordan fordert das Publikum zum Mitsingen auf dieses kommt seiner Pflicht nur allzu gerne nach. Am Ende konnte der sympathische Vollbartträger durch sein offenes und sympathisches Auftreten auch das skeptische Publikum für sich gewinnen. Auch wenn das Album seinem Können und Auftreten nicht ganz gerecht wird, werde ich Jordan Davis‘ Auftritt als sehr gelungen und bereichernd in Erinnerung behalten.
Old Dominion stürmen die Bühne
Nach kurzer Umbaupause werden die Headliner durch einen Einspieler der Black Eyed Peas angekündigt. Der Applaus und die begeisterten Rufe aus dem Publikum sind bereits vor dem ersten Song frenetisch. Ohne Ansage oder Begrüßung nehmen die fünf Bandmitglieder die Stimmung direkt auf und beginnen mit einer ihrer Singles. „Snapback“ macht gute Laune und geht direkt über in „Hotel Key“. Nach dem zweiten Song und vielen fliegenden Plektren begrüßt Frontmann Matthew Ramsey das Publikum im Namen der Band und bedankt sich dafür, das erste Mal überhaupt in Deutschland spielen zu dürfen. Auch während der Songs kommuniziert die Band viel mit dem Publikum. „Be With Me“ und „Half Empty“ folgen auf dem Fuß und bald ist klar: Die Alben werden dem Live- Können dieser Band nicht gerecht. Die große Spielfreude der Gruppe bringt Power und Tiefe in die Songs, die sie auf dem Album nicht immer zeigen. Geoff Sprung, Brad Tursi und Matthew Ramsey bilden die Gitarrenfront auf der Bühne. Während Trevor Rosen ab und an den Platz mit Bassist Geoff tauscht, hält sich Drummer Whit Seller im Hintergrund. Matthew ist ein absoluter Sympathieträger und flirtet während der Songs gekonnt mit dem Publikum. Dieses ist erstaunlich textsicher, was die Stimmung gelöst und ausgelassen werden lässt.
Bodenständig und ehrlich
Trotz des routiniert wirkenden Auftritts wirken alle fünf bodenständig und ehrlich. Obwohl er die meisten Songs singt, wirkt Matthew stets als Teil der Band und bezieht seine Kollegen in alles ein. Der Sympathiebonus wird dadurch ausgebaut, dass man den Eindruck gewinnt, dass die gesamte Band immer noch erstaunt darüber ist, welche große Resonanz ihr Auftritt beim Publikum hervorruft.
Bei „Nowhere Fast“ wechselt Trevor vom Klavier zur Gitarre und unterstützt Matthew und Brad am vorderen Bühnenrand. Ein kurzes Gitarreninterlude von Brad leitet „Break Up With Him“ ein. Es ist offensichtlich, dass die Band ihr Publikum schon kennt und so hält Matthew genau in dem Moment das Mikrofon in die Menge, in dem die meisten im Publikum die Textkenntnis verlässt. Dieser kleine Spaß lässt die Grenzen zwischen Band und Publikum aufweichen und sorgt dafür, dass die Band immer mehr Spaß an diesem Auftritt zu haben scheint. Bei „Midnight Mess Around“ scheint schließlich auch Geoff, der bisher ein wenig steif wirkte, sehr viel gelöster.
Eine Erfolgsgeschichte
Es folgt ein Setwechsel. Auf Barhockern sitzen Matthew, Brad und Trevor nun mit ihren Gitarren vor dem Publikum und berichten über ihr erstes Mal in Berlin. Trevor lässt es sich nicht nehmen, seine Deutschkenntnisse anhand einer Übersetzung eines von ihm geschriebenen Songs zu präsentieren: „Deine Lippen schmecken nach Sangria“. Tosender Applaus. Und darum geht es in den nächsten 20 Minuten. Die Band erzählt, wie sie sich in Nashville als Songwriter getroffen haben und Matthew, Brad und Trevor einen No. 1- Hit nach dem anderen für andere Künstler landeten. Alle Hits werden kurz vom jeweiligen Songwriter angespielt. Viele davon kennt das Publikum. Obwohl die Band auf viele komponierte Hits zurückblicken kann, sollte es mit der eigenen Musikerkarriere eine Weile dauern. Dass sie ihren heutigen Erfolg als Band auch den Fans zu verdanken haben, wissen die Jungs nur zu gut und bedanken sich mehrfach. Zu ihrer heutigen Songwritertätigkeit sagt Matthew: „We write bad songs, we write good songs and we write great songs. We keep the great ones and give the good ones away“ und erklärt damit die hohe Hitdichte auf den Alben.
Den „Song For Another Time“ spielt dann wieder die ganze Band. Bei „No Such Thing As A Broken Heart“ erklärt Matthew, dass Musik seiner Meinung nach immer hilfreich sei. Egal, in welcher Situation man sich befinde. Es gäbe für jeden die richtige Musik da draußen. Für das Publikum ist die richtige Musik an diesem Abend auf jeden Fall die von den fünf Jungs aus Nashville. Nach „Beer Can In A Truck Bed“ präsentiert die Band einen neuen Song. „Some People Do“ handelt davon, dass Menschen sich ändern können und wird durch Trevor am Klavier begleitet. Mit dem neuen Material haben sich Old Dominion getraut, von ihren musikalischen Pfaden abzuweichen und wirken sehr viel erwachsener und tiefgründiger.
Zugabe
Mit„Written In The Sand“ geht es weiter ruhig zurück zu den bereits bekannten Songs von Old Dominion. Nach weit über eine Stunde beweist die Band dann endgültig, was sie alles kann und alle Mitglieder der Kombo talentierte und vielseitige Musiker sind. „New York At Night“ wird nicht von Matthew, sondern von Brad gesungen. Dieser Song schafft es, aus dem relativ kleinen Astra ein großes Stadion zu machen. Die Lichtshow, Gitarrensoli und Einsätze der Drums schaffen den Eindruck einer epischen Arenashow. Anschließend beweist Brad, dass er auch die Gitarre für kleine Clubs beherrscht und rutscht, gemeinsam mit Matthew, während eines Gitarrenduetts fast in Southern Rock- Gefilde. Bei dem Kenny Chesney Cover „Save It For A Rainy Day“ übertrumpfen sich die Saalseiten im Publikum gegenseitig beim Mitsingen.
Mit dem Satz „my heart ist a bar and I’m closing it down“ verabschieden sich Matthew, Brad, Trevor, Whitt und Geoff von der Bühne. Und obwohl dieser Satz ein perfektes Ende gewesen wäre, lassen sich die fünf nicht lange um die allerseits verlangte Zugabe bitten. Unter Jubel kommen sie zurück auf die Bühne und ergänzen das Konzert durch „Shoe Shopping“ und „Make It Sweet“. Während die erste Single des kommenden Albums der Band noch ausklingt, bedankt sich Matthew noch einmal für den tollen Abend und scheint mehr als erleichtert, als er gesteht, dass er schon Angst hatte, vor einer leeren Hallo zu stehen, weil es in Deutschland keine Countryfans gibt. Wie um Old Dominion das Gegenteil zu beweisen, bedankt sich das Publikum seinerseits mit lautem Applaus und begeisterten Pfiffen.
Obwohl die Jungs fast zwei Stunden gespielt haben, wollte man die Band nicht gehen lassen. Das ganze Konzert hat viel Spaß gemacht und man ging mit dem Gefühl, Old Dominion von einer anderen Seite kennen gelernt zu haben. Der Abend bot einen Wechsel zwischen gemütlicher Barstimmung und glänzender Arenaluft. Ich wünsche allen, die, wie ich, am Können von Old Dominion und Jordan Davis zweifeln, einen solch schönen Konzertabend.